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Die Lieder-Edda Online ~
In der Übersetzung von Karl Simrock
Das erste Lied von Helgi dem
Hundingstöter
I.
1 In alten Zeiten, als Aare sangen
Heilige Wasser rannen von Himmelsbergen,
Da hatte Helgi, den großherzigen,
Borghild geboren in Bralund.
2 Nacht in der Burg war’s, Nornen kamen,
Die dem Edeling das Alter bestimmten.
Sie gaben dem König der Kühnste zu werden,
Aller Fürsten Edelster zu dünken.
3 Sie schnürten scharf die Schicksalsfäden,
Daß die Burgen brachen in Bralund.
Goldene Fäden fügten sie weit,
Sie mitten festigend unterm Mondessaal.
4 Westlich und östlich die Enden bargen sie,
In der Mitte lag des Königs Land.
Einen Faden nordwärts warf Neris Schwester,
Ewig zu halten hieß sie dies Band.
5 Eins schuf Angst dem Ülfingensohn,
Und ihr, der Frau, die Freude gebar:
Rabe sprach zum Raben (auf ragendem Baum
Saß er ohne Atzung): „Ich weiß etwas.
6 Es steht der Sohn Sigmunds in der Brünne,
Einen Tag alt: unser Tag bricht an.
Er schärft die Augen (so schauen Helden),
Der Wölfe Freund: freuen wir uns!“
7 Dem Volke schien sein Fürst geboren,
Sie wünschten sich Glück zu goldener Zeit.
Der König selber ging aus dem Schlachtlärm
Dem jungen Edling edeln Lauch zu bringen.
8 Er hieß ihn Helgi und gab ihm Hringstad,
Solfiöll, Snäfiöll und Sigarswöll,
Hringstad, Hatun und Himinwangi,
Gab ein blutig Schwert Sinfiötlis Bruder.
9 Da begann zu wachsen an Verwandter Brust
Die ragende Rüster in des Ruhmes Licht,
Er vergalt und gab das Gold den Werten,
Sparte das Schwert nicht, das blutbespritzte.
II.
10 Kurz ließ der König auf Kampf ihn warten:
Fünfzehn Winter alt war der Fürst,
Da hätt er den harten Hunding erschlagen,
Der Land und Leute so lange beriet.
11 Da sprachen Sigmunds Sprößling an
Um Gold und Schätze die Söhne Hundings.
Zu vergelten hatten sie Güterraubs viel.
Dem jungen Fürsten und des Vaters Tod.
12 Nicht gewährte der Fürst dafür die Buße,
Weigerte jegliches Wehrgeld den Söhnen:
Gewarten möchten sie mächtigen Wetters,
Grauer Gere und des Grames Odins.
13 Zur Schlachtstätte stapften die Fürsten,
Die sie gelegt gen Logafiöll.
Frodis Frieden zerbrach zwischen Feinden:
Granis Grauhunde fuhren gierig durchs Land.
14 Saß der König, da erschlagen er hatte
Alf und Eyolf, unter dem Aarstein,
Dazu Hiörward und Haward, Hundings Söhne;
Gefällt war des Gerriesen ganzes Geschlecht.
15 Da brach ein Licht aus Logafiöll,
Und aus dem Lichte kam Wetterleuchten.
Helmträgerinnen sah man auf Himinwangi:
Ihre Brünnen waren mit Blut bespritzt
Und Strahlen standen still auf den Geren.
16 Da trug in der Frühe der Männerfürst
Die südlichen Frauen vom Schlachtfeld her:
Ob sie daheim bei den Helden wollten
Bleiben bei der Nacht? Die Bogen schnurrten.
17 Aber vom Hengste Högnis Tochter
Stillte der Schilde Lärm und sprach zu dem König:
„Wir haben wohl anderes hier zu schaffen
Als Ringbrecher bei dir Bier zu trinken.
18 Mein Vater hat mich, seine Maid,
Verheißen Granmars grimmem Sohne.
Doch hab ich, Helgi, den Hödbrodd genannt
Einen König so kühn wie ein Katzensohn.
19 Nun wird er kommen nach wenigen Nächten,
Wofern du den Fürsten nicht forderst zum Kampf,
Oder mich, die Maid ihm raubst.“
Helgi:
20 Fürchte nicht mehr den Mörder Isungs:
Erst tobt Getöse, ich sei denn tot. –
21 Boten sandt alsbald der gebietende König,
Hilfe zu fordern über Flut und Land,
Um mehr als genug den Mannen zu bieten,
Und ihren Söhnen, des schimmernden Goldes:
22 „Heißet sie schnell zu den Schiffen gehn,
Daß sie aus Brandey uns Hilfe bringen.“
Da harre der König bis zur Sammlung kamen
Helden vielhundert von Hedinsey.
23 Da sah man von Stränden und Stafnesnes
Die Schiffe gesegelt, die goldgeschmückten.
Helgi fragte den Hiörleif alsbald:
„Hast du erkundet der Kühnen Zahl?“
24 Aber der Königssohn sagte dem andern:
„Schwer“, sprach er, „hält es, von der Schnabelspitze
Die langen Schiffe, die Segler, zu zählen,
Die da draußen in Örwasund fahren.
25 „Zwölfhundert zählst du Zuverlässiger:
Doch harrt in Hatun noch halbmal mehr
Der Scharen des Königs: der Schlacht gedenk ich nun.“
26 Da warf der Steurer die Stevenzelte nieder,
Der Männer Menge damit zu erwecken,
Daß die Fürsten sähen den scheinenden Tag.
An die Segelstangen schnürten die Helden
Das knisternde Gewebe bei Warins Bucht.
27 Die Ruder ächzten, das Eisen klang,
Schild scholl an Schild, die Seehelden ruderten.
Unter den Edlingen eilend ging
Des Fürsten Flotte den Landen fern.
28 So war’s zu hören, da hart sich stießen
Die kühlen Wellen und die langen Kiele
Als ob Berg oder Brandung brechen wollten.
29 Helgi hieß das Hochsegel aufziehn,
Als wider Wogen da Woge schlug
Und die tobende Tochter Ägirs
Die starren Rosse zu stürzen gedachte.
30 Aber Sigrun kam kühn aus den Wolken
Und schützte sie selber und ihre Schiffe.
Kräftig riß sich der Ran aus der Hand
Des Königs Langschiff bei Gnipalund.
31 Da saß er geborgen in der Bucht am Abend;
Die schmucken Schiffe schössen dahin.
Aber Granmars Söhne von Swarinshügel
Erspähten sein Volk mit feindlichem Sinn.
32 Da fragte Gudmund, der Gottgeborne:
„Wie heißt der Herzog, der dem Heer gebeut,
Dies furchtbare Volk uns führt zu Land?“
33 Sinfiötli versetzte – und schlug am Rah
Ein rotes Schild auf, des Rand war von Gold;
Er war ein Sundwart der sprechen konnte
Und Worte wechseln mit werten Männern –
34 „Sag das am Abend, wenn du Schweine fütterst
Und eure Hunde zur Atzung lockst:
Die Ülfinge seien von Osten gekommen,
Des Kampfs begierig vor Gnipalund.
35 Hier wird Hödbrodd den Helgi finden,
Den fluchtträgen Fürsten, in der Flotte Mitten.
Oftmals hat er Aare gesättigt,
Weil du in der Mühle Mägde küßtest.“
Gudmund:
36 Nicht folgst du, Fürst, der Vorzeit Lehren,
Da du die Edlinge mit Unrecht verrufst.
Du hast im Walde mit Wölfen geschwelgt,
Hast deinen Brüdern den Tod gebracht,
Oft sogst du mit eisigem Atem Wunden,
Bargst allverhaßt dich im Gebüsch.
Sinfiötli:
37 Du warst ein Zauberweib auf Warinsey,
Ein luchslistiges! Du logst auf den Haufen.
Keinen Mann, meintest du, möchtest du haben
Von allen im Eisen außer Sinfiötli.
38 Du warst die schädlichste Walkürenhexe,
Aber bei Allvater allvermögend.
Man sah die Einherjer alle sich raufen,
Verwettertes Weib, von wegen dein.
Neune hatten wir auf Nesisaga
Wölfe gezeugt: ich war ihr Vater.
Gudmund:
39 Nicht warst du der Vater der Fenriswölfe,
Ob ärger als alle, das leuchtet ein,
Denn längst entmannten dich, eh du Gnipalund sahst
Thursentöchter bei Thorsnes dort.
40 Siggeirs Stiefsohn lagst du hinter Stückfässern,
An Wolfsgeheul gewöhnt in den Wäldern draußen.
Alles Unheil kam über dich,
Als du den Brüdern die Brust durchbohrtest,
Dich landrüchig machtest durch Lasterwerke.
Sinfiötli:
41 Du warst Granis Braut bei Brawöll,
Goldgezügelt, gezähmt zum Lauf.
Manche Strecke ritt ich dich müde
Und hungrig unterm Sattel, Scheusal, den Berg hinab.
42 Ein sittenloser Knecht erschienst du da,
Als du Gullnirs Geißen melktest;
Ein andermal dauchtest du, Thursentöchter,
Ein lumpiges Bettelweib: willst du länger zanken?
Gudmund:
43 Nein, füttern wollt ich bei Frekastein
Lieber die Raben mit deinem Luder,
Und eure Hunde zur Atzung locken
Und Schweine zum Troge: zanke der Teufel mit dir!
Helgi:
44 „Es ziemt euch besser beiden, Sinfiötli,
Den Kampf zu fechten und Aare zu freuen,
Als euch zu eifern mit unnützen Worten,
Wenn auch Ringbrecher den Haß nicht bergen.
45 Auch mich nicht gut dünken Granmars Söhne;
Doch ist’s Recken rühmlicher, reden sie Wahrheit.
Sie haben’s gezeigt bei Moinsheim:
Die Schwerter zu brauchen gebricht ihnen Mut nicht.“
46 Sie ließen die Rosse gewaltig rennen,
Swipud und Swegjud, auf Solheim zu
Durch tauige Täler und tiefe Wege;
Des Nebels Bett schütterte, wo die Männer fuhren.
47 Sie trafen den Herrscher an der Türe der Burg,
Kündeten dem König den kommenden Feind.
Außen stand Hödbrodd helmbedeckt,
Sah den Schnellritt seines Geschlechts:
„Wie harmvoll habt ihr Helden ein Aussehn? – “
48 „Her schnauben zum Strande schnelle Kiele,
Ragende Masten und lange Rahen,
Schilde sattsam und geschabte Ruder,
Herrliche Helden der hehren Ülfinge.
49 „Fünfzehn Fähnlein fuhren ans Land;
Doch stehen im Sund noch siebentausend.
Hier liegen am Lande vor Gnipalund
Blauschwarze Seetiere und goldgeschmückte.
Die meiste Menge seiner Mannen ist hier:
Nicht länger säumt nun Helgi die Schlacht.“
Hödbrodd:
50 Laßt rasche Rosse zum Kampfthing rennen,
Aber Sporwitnir gen Sparinsheide,
Melnir und Mylnir gen Myrkwid:
Sitze mir selten wehr säumig daheim,
Der Wundenflamme zu schwingen weiß.
51 Ladet Högni und Hrings Söhne,
Atli und Jngwi und Alf den greisen;
Die zu beginnen sind gierig den Kampf:
Wir wollen den Wölsungen Widerstand tun. –
52 Ein Sturmwind schien’s, da zusammen trafen
Die funkelnden Schwerter bei Frekastein.
Immer war Helgi, der Hundingstöter,
Vorn im Volkskampf, wo Männer fochten.
Schnell im Schlachtlärm, säumig zur Flucht,
Ein hartmutig Herz hatte der König.
53 Da kam wie vom Himmel die Helmbewehrte –
Das Speersausen wuchs – und schützte den Fürsten.
Laut rief Sigrun, des Luftritts kundig,
Dem Heldenheer zu, aus des Herzens Grund:
54 „Heil sollst du, Held, der Herrschaft walten,
Ingwis Nachkomme, und das Leben genießen.
Den fluchtträgen Fürsten hast du gefällt,
Ihn, der den Schrecklichen sandt in den Tod.
Nun mußt du beides nicht länger missen:
Rote Ringe und die reiche Maid.
55 Heil sollst du dich, Fürst, erfreuen der beiden,
Der Tochter Högnis und Hringstadirs,
Des Siegs und der Lande; zum Schluß kommt der Streit.“
Die
Edda (Codex Regius), 1851 durch
Karl Simrock übersetzt.
# Helgi der Hundingstöter
Der junge heldenhafte Krieger Helgi der Hundingstöter hat dem skandinavischen Sagenzyklus einen unsterblichen und unvergesslichen Eintrag geschenkt. Er wird stets in der Geschichte als einer der größten Krieger des Nordens verewigt und ist als eine der gallischsten Heroen skandinavischer Legenden bekannt. Sein wohl bekanntestes und berühmtestes Lied ist sein erstes, welches bis heute bekannt ist und die Geschichte von seiner ersten großen Heldentat, dem Kampf gegen Hundings Söhne, erzählt.
## Einblick in die Saga
In der altnordischen Saga des Skalden Eiríkr Magnusson, die in den späten 900er oder frühen 1000er Jahren verfasst wurde, ist dieses berühmte und eindrucksvolle Lied für Helgi angeführt, welches als „Helgisgruß“ bezeichnet wird.
Dieses Lied beginnt mit einer Beschreibung Helgis als „Sterne des Kampfes“, der erstaunliche Dinge vollbringt und zersiegt, während er durch eine schwierige Gruppe fährt, die aus 21 Gegnern besteht. Er tötet Hundings Söhne und setzt sich damit auf ein bemerkenswertes Beispiel auf dem Schlachtfeld.
Das Lied geht weiter, indem es etwas Hintergrund und Informationen über den Kampf enthält. Es enthält Einzelheiten wie, dass Helgi sein Schwert mit mehr Kraft als ein Amboss benutzte und, dass die Söhne des Hunding zurückgewichen sind, wärend Blut floss und sie plötzlich gefallen waren.
## Der Folgen des Helgisgrußes
Dieses Lied veranschaulicht die heroische Tapferkeit des jungen Kriegers und wird noch Jahrhunderte nach seinem plötzlichen Tod, als er in seiner letzten Schlacht getötet wurde, gefeiert und gesungen. Es hat als eines der bekanntesten Lieder dieses Mythos in Erinnerung gehalten und wird immer wieder neu interpretiert.
Der Erfolg des Liedes endet nicht hier, da es auch in unterschiedlichen Formen wiedererzählt und produziert wird, von Opern, Film und Bühnenperformance, über Videospiele bis hin zu bekannten Metal-Bands, die es neu aufgeführt haben. Unhörbar gemacht durch neue Musikstile, bleibt Helgiskampf ein eindrucksvolles Symbol der nordischen Mythologie.
Es ist ein Lied, das so alt ist wie die Geschichte selbst und das die alte nordische Kultur lebendig erhält und würdigt. Der Einfluss des Liedes auf die Moderne ist groß, und durch seine wandernde und bleibende Präsenz ist der „Helgi der Hundingsstöter Song“ heute mehr als ein Symbol und eine Erinnerung an eine lange vergessene Geschichte, sondern ein berühmter Höhepunkt aus längst vergangenen Tagen.